ANTIFASCHISTISCHE DEMO IN BERN: ANTIRASSISMUS BRAUCHT ANTIFASCHISMUS
Das Bleiberecht Kollektiv Bern begrüsst die heutige antifaschistische Demonstration in Bern. Unser Kollektiv kämpft für die Überwindung des rassistischen Migration- und Asylregimes und steht ein für die globale Bewegungsfreiheit im Sinne einer freien Welt freier Menschen. Immer öfters sind wir mit faschistischen Haltungen und Handlungen von Einzelpersonen, Gruppen und sogar von Regierungen und ihren Behörden konfrontiert. Besorgt beobachten wir zeitgleich, wie die Dominanzgesellschaft und ihre Institutionen zu faschistischen Haltungen zunehmend schweigt, sie hinnimmt, oder gar akzeptiert.
Diese Entwicklungen erschweren unseren ohnehin anspruchsvollen antirassistischen Widerstand. Drei Beispiele aus aktuellen Kämpfen, an denen wir uns beteiligen, illustrieren dies:
Das Orban-Regime in Ungarn: Aktuell mangelt es an eindeutiger Benennung der faschistischen Tendenzen des ungarischen Ministerpräsidenten sowie einer klaren Verurteilung seiner Asyl- und Grenzpolitik. Dieses Schweigen erleichtert es dem Eidgenössischen Polizei- und Justizdepartement (EJPD) und insbesondere dem Staatssekretariat für Migration (SEM), sich davor zu drücken, das ungarische Regime und Ausschaffungen nach Ungarn generell als menschenverachtend einzustufen, sowie sofort materiell auf alle Asylgesuche von Personen, die über Ungarn in die Schweiz reisen, einzutreten. Eine Stärkung der antifaschistischen Kritik am Orban-Regime würde auch dazu beitragen, dass Geflüchtete, die über Ungarn in die Schweiz reisen, endlich ein Bleiberecht und eine Perspektive erhalten.
Erdogan-Regime in der Türkei: Aktuell mangelt es an eindeutiger Benennung der faschistischen Tendenzen Erdogans und dessen Asyl- und Grenzpolitik. Dies erleichtert es Sommaruga nach wie vor an ihrem geplanten Schweiz-Türkei-Ausschaffungsdeal – im Stile EU-Türkei-Deal – festzuhalten. Zudem schwächt es emanzipatorische Kräfte, die gegen Erdogan Widerstand leisten und darum vermehrt aus der Türkei flüchten müssen. Wenn der geplante Schweiz-Türkei-Deal endlich platzen und Erdogan geschwächt werden sollen, sollte auch der antifaschistische Widerstand gegen Erdogan gestärkt werden.
Menschenverachtung in Wileroltigen: Aktuell mangelt es an eindeutiger Benennung der faschistischen Tendenzen, die im Zuge der Vorfälle in Wileroltigen bei einzelnen Personen und Gruppen zum Vorschein kamen. Dies fördert und erleichtert den weit verbreiteten Antiziganismus innerhalb der Politik, der Behörden und der Polizei. Antifaschistische Aktionen tragen dazu bei, den Antiziganismus in der Schweiz zu schwächen.
Antifaschismus braucht greifbare Emanzipationsperspektiven
In kapitalistischen Gesellschaften steht der Faschismus historisch zweifelsohne im Zusammenhang mit Krisen, die dem Kapitalismus inhärent sind. Auch heute beobachten wir, wie es Faschist_innen, faschistischen Überzeugungen, sowie faschistoiden Formen der Menschenverachtung gelingt, angesichts der vielfältigen Krisen der herrschenden wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse an Raum und Anerkennung zu gewinnen. So setzen nicht zuletzt auch Regierungen von sogenannt demokratischen Staaten zunehmend auf uneingeschränkte Momente der Gewalt – tendenziell also auf das Mittel der Menschenverwaltung, die der Faschismus systematisiert und auf die Spitze treibt.
Diese Momente der rohen Gewalt erkennen wir nicht nur in Ungarn, der Türkei oder Wileroltigen, sondern auch in den Lagern für Geflüchtete, im Massengrab Mittelmeer, im Zusammenhang mit Zwangsausschaffungen oder in der Verdrängung von Freiheiten und Grundrechten durch Kontrolle und Repression.
Solche strukturelle Gewalt wird von grossen Teilen der Bevölkerung hingenommen. Nicht zuletzt deshalb, weil ihnen die Regierungen damit Ruhe, Ordnung und Wohlstand versprechen. Aufgrund der genannten Krisen steht das Einhalten dieses Versprechens aber massenhaft auf dem Spiel und viele verlieren offenbar das Vertrauen in dieses System.
Je weniger es gelingt, in der gesellschaftlichen Emanzipation aller Menschen eine reale Perspektive zu erkennen, desto mehr werden Menschen bereit sein, sich der Extremform der Gewaltherrschaft, also dem Faschismus, hinzuwenden. An die Stelle der heutigen Gewalt und der abstrakten Herrschaft durch den Rechtsstaat verspricht der Faschismus nämlich, die Privilegien der „Eigenen“ durch unmittelbare Gewalt gegen die „Anderen“ durchzusetzen.
Kein Fussbreit dem Faschismus! Gemeinsam für die Emanzipation aller!